Hermann Maier über die Stürze beim Ski – „Wunder, dass es bei mir glimpflich ausging“
Der Österreicher Hermann Maier zählt zu den größten Skifahrern aller Zeiten. Bei Olympischen Spielen gewann er zweimal Gold sowie je einmal Silber und Bronze. Dreimal wurde er Weltmeister, viermal gewann er den Gesamtweltcup. Insgesamt gewann er 54 Weltcup-Rennen, darunter eine Abfahrt und fünf Super-G in Kitzbühel. Hier spricht er seinen berühmten Olympia-Crash, seinen Spitznamen „Herminator“ und die aktuelle Verletzungsflut im Skisport.Hermann Maier: Das Leben wird eh immer ein paar Spuren hinterlassen. Für das, wie ich den Sport ausgelebt habe, ist es aber erstaunlich wenig. Scheinbar wurde da richtig trainiert. So hatte ich nie eine schwere Skiverletzung wie zum Beispiel einen Kreuzbandriss.Wegen Mislintat und Kehl: Experte fordert BVB-MachtwortIhr berühmtester Abflug war bei den Olympischen Spielen 1998 in Nagano. In einer Kurve hoben Sie ab und flogen 40 Meter quer durch die Luft, durchschlugen mehrerer Zäune und landeten im Tiefschnee. Drei Tage später gewannen Sie Gold im Super G, anschließend den Riesenslalom. Was denken Sie heute, wenn Sie das berühmte Foto vom Sturz sehen?Ich wurde vor gut zwei Jahren wieder auf das Bild angesprochen, als der amerikanische Fotograf Carl Yarbrough verstarb. Dieses Foto ist immer mit ihm und mir in Verbindung gebracht worden, weil er der Einzige dort oben an der Strecke war. Dadurch war die gesamte Situation so einzigartig. Das Foto ist einfach ein Teil von mir und meiner Karriere. Es war meine erste Abfahrtssaison, und die war durchaus aufregend. Das kann nicht jeder von sich behaupten. Ich habe mir mein Glück erarbeitet und auch Glück gehabt. Wenn ich jetzt sehe, wie sich bei dem Aufprall mein Körper verdreht, ist es schon ein großes Wunder gewesen, dass das so glimpflich ausging. Wäre es dort hart und eisig gewesen, hätte es anders ausgesehen.Lesen Sie auchSki-Star Lindsey Vonn gab gerade erst ihr Comeback – weiß aber jetzt schon, wann es wieder vorbei sein soll.Unterkühlte Stimmung im Schweizer Schnee? Von wegen! Plötzlich fließen sogar Tränen.So konnten Sie nach dem Sturz in die Fernsehkameras winken. Ein Gruß an Mama und Papa, dass Sie in Ordnung waren?Wenn man schon mal im Fernsehen ist, dann soll man auch grüßen .Hermann Maier heute: Der Österreicher fährt weiterhin leidenschaftlich gern SkiSie gewannen in den Tagen danach zweimal Olympia-Gold und bekamen den Spitznamen „Herminator“. Gab Ihnen den eigentlich „Terminator“ Arnold Schwarzenegger?Ich kann gar nicht genau sagen, woher das genau kam. In den USA lief das Rennen wegen der Zeitverschiebung zur Prime Time. Da entstand dann der Name „Herminator“. Die Verbindung zum „Terminator“ Schwarzenegger liegt halt sehr nahe.Wie ist heute der Kontakt zu Schwarzenegger?Früher war ich schon ab und zu in den USA. Heute sehen wir uns, wenn ich ab und zu in Kitzbühel bin, und wärmen alte Geschichten auf.Gab es damals oder sogar heute Filmangebote, um Ihr Leben ins Kino zu bringen?Es gab Angebote, vor allem in den vergangenen zwei Jahren. Vielleicht hatten alle während Corona viel Zeit, um Konzepte zu schreiben. Aber es ist schwierig, das Original zu toppen. Und bei Verfilmungen braucht man ein enormes Budget, damit es etwas Gescheites wird.Derzeit wird im Weltcup viel über Karbonschienen am Unterschenkel und besonders steife Skischuhe diskutiert – und wie sie zu Verletzungen beitragen. Hätten Sie gern einmal ausprobiert, wie schnell Sie mit diesen Hilfsmitteln oder auch dem modernen Skimaterial gewesen wären?Das war nie meins. Ich hatte immer gern ein bisschen mehr Spielraum gehabt. Ich erinnere mich noch, als der Bode Miller ganz dicke Ski verwendet hat. Die waren wie Eisenbahnschienen. Ich wusste zwar genau, dass die schnell sind, aber wenn ich mit denen fahre, reißt irgendwann einmal was. Das ist so enorm auf die Knie gegangen. Da dachte ich: Für die brauchst du überhaupt kein Gefühl, sondern reine Brutalität. Das war nie meine Art, Ski zu fahren. Skifahren hat auch mit Gefühl und Intuition zu tun. Mit solchen Traversen fährst du aber, bis es irgendwann aus ist.Wie unterscheidet sich das Skifahren von früher zu heute?Überbelastungen hat es auch früher schon gegeben. Aber das Material entwickelt heute noch ganz andere Kräfte. Dadurch entsteht häufig ein Trampolineffekt, der immer stärker wird und bewirkt, dass man in alle Richtungen fliegt. Je mehr Kurvenradius ich fahren muss und je höher die Kurvengeschwindigkeiten werden, desto höher ist die Gefahr eines Abflugs.Die Sportler fahren inzwischen fast alles – auch die Kurven – auf Zug.Man muss auch einmal ein Tor anrutschen. Wenn dir dein Leben was wert ist, dann muss man nicht überall bis zum Äußersten gehen. Die Zeit gewinnt man ja eh oft woanders. Gewisse Stellen kann man halt nicht mit vollem Risiko nehmen. Das geht sich einfach nicht aus.Wie könnte man das Ganze sonst entschärfen? Ein Gedanke sind Einheitsanzüge, die aber von einigen Nationen abgelehnt werden.Das wäre eigentlich das Einfachste, dort anzusetzen, um die Geschwindigkeit etwas zu drosseln. Früher war mir gar nicht so bewusst, was so ein Rennanzug ausmacht.Was ist mit den Pisten an sich?In Bormio zum Beispiel wird die Piste präpariert und bleibt dann eine Woche mehr oder weniger unberührt. Nachts fegt der Wind drüber. Es entstehen unruhige Stellen, auch durch die vielen Trainingsfahrten. Da verändert sich die Strecke bei jedem Training und dann natürlich auch im Rennen. Dann ist dort im Dezember auch noch die Sicht schlecht, durch das flache Licht. Im Training bist du sonst meist auf täglich frisch präparierten Pisten unterwegs, um das passende Material herauszufinden. In so einer Rennwoche findet man aber häufig ganz andere und sich ständig verändernde Bedingungen vor. Es ist eben ein Freiluftsport.Was muss also getan werden?Es wird in diese Richtung schon sehr viel überlegt. Da rauchen momentan die Köpfe, weil es so viele Faktoren sind, die man berücksichtigen und unter einen Hut bringen muss. Man wird die Gefahr niemals zur Gänze aus dem Skirennsport eliminieren können. Das ist eben kein Computerspiel.